Bei Kaiser Titus in Osnabrück

Der Musikkurs des Jahrgangs Q1 besucht eine der letzten Opern Mozarts

Am 2. Mai 2023 starteten die Schülerinnen und Schüler und einige Lehrkräfte um 17.32 Uhr am Bahnhof Herford mit der RB 61 zum Theater Osnabrück. Dort sollten sich die Lernenden die Aufführung der Oper „La clemenza di Tito“  anschauen. Nachdem im Unterricht vorher der Inhalt der Oper, einzelne Figuren und die Musik sowie das Bühnenbild in der Osnabrücker Inszenierung erarbeitet worden waren, wirkten die Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler gespannt, was der Auftritt live und lebensecht bringen würde. "Die singen da so komisch!“, haben sie sicherlich schon beim ersten Kontakt mit dem Belcanto-Gesang der Sopranisten und Tenöre gedacht. Eine für die jungen Ohren eher ungewöhnliche Art zu singen, forderte die jungen Menschen. Zudem war der Text in italienischer Originalsprache mit deutschen Obertiteln zu verfolgen. In der Auswertung gaben einige der Schülerinnen und Schüler die Rückmeldung, dass sie es gut fanden, einmal zu so einer Kulturveranstaltung beordert worden zu sein, die sie selbst nicht ausgesucht hätten, heißt also, solche Lernorte aufzusuchen, lohnt sich, weil dort Primärerfahrungen gemacht werden können.
Der zweite Akt fesselte dann durch die Dramaturgie der Bühneneffekte und die Zuspitzung der Entscheidung Titus, ob er seine Verräter hinrichten lässt oder sie begnadigt. Diese Entscheidung musste er nicht nur auf persönlicher Ebene bedenken, weil dann sein Freund bzw. seine auserwählte Kaiserin sterben müssten. Auch kreisten seine Gedanken um die politische Tragweite der Entscheidung, als gnädiger Herrscher in seinem Umfeld verspottet zu werden, quasi sich nicht durchsetzen zu können, immer der Gefahr eines erneuten Verrates ausgesetzt zu sein.
Mozart hat sicherlich hier dem König Leopold II,  dem diese Oper zur Krönung gewidmet war, einen Spiegel vorhalten wollen. Zwei Jahre nach der französischen Revolution war die Kritik in Europa an den Herrschaftsformen noch deutlich wahrzunehmen. In der Osnabrücker Inszenierung wird Titus am Ende sogar von dem Chor, welcher den Senat darzustellen hatte, mit herzhaften Messerstichen getötet. Dem zuschauenden Publikum sollte dieses Ende aber gewiss zum Nachdenken anregen, weil es so im Libretto Mazzolas nicht vorkommt.
Die Musik war stark geprägt durch eine brillante Umsetzung der Leidenschaften, welche die wenigen Hauptfiguren zeigten. Im Orchester trat immer wieder die Klarinette hervor, für die Mozart virtuose Passagen schrieb, wie sie in einem Klarinettenkonzert vorkommen könnten. Sie wurden für seinen Freund Stadler extra dort notiert.
Die Lernenden waren äußerst diszipliniert ins Theater eingezogen und verfolgten aufmerksam die Handlung. Schwierig war für sie freilich, alles sofort zu verstehen. Schwierig für sie war es auch, die lang anhaltenden Arien, deren Inhalte immer wieder thesenartig formuliert wurden,  minutenlang auszuhalten, wo doch die Welt der Schülerinnen und Schüler mutmaßlich schnell und ungestüm ist.
Aber ist es dann nicht richtig genau in so einer etablierten Veranstaltung zur Ruhe und Besonnenheit zu  kommen? Sich eventuell auf den Schmerz, die Angst oder die Liebe der darstellenden Figuren einzulassen? Oder aber auch über etwaige politische Aussagen nachzudenken?
Ja, schrille Kostüme wurden von den  Osnabrücker Dramaturgen ausgesucht. So hatte Vitellia eine viel zu große geschwungene Perücke in einem Rubinrot auf. Aber  auch ihr Kleid war extravagant oder peinlich. Ihr übergroßer silberner Umhang wirkte komisch. Besonders wirkte sie primitiv, nachdem der Umhang schon in der ersten Szenen ihres Auftritts fiel und sie quasi nur im hautfarbener Unterwäsche auf der Bühne stand. Wollten die Dramaturgen damit die schillernde Persönlichkeit Mozart zeigen? Oder etwa unsere moderne Welt, die schrill und grell und immer exaltierter erscheint? Vielleicht auch wollten sie die Figur auf ihre niederen Interessen nach Macht und Reichtum reduzieren. Vitellia wollte ja unbedingt auf den Thron. Als es ihr anfänglich nicht gelang, plante sie eben einen Anschlag gegen den Kaiser Titus.
Wie auch immer. Vom Kurs wurde die Professionalität der Osnabrücker Sängerinnen und Sänger als auch der Musikerinnen und Musiker respektvoll anerkannt. Ein besonderes Erlebnis, an das sie sich eventuell später in ihrem Leben noch erinnern werden.
Hat Schule mit dieser Pflichtveranstaltung dann nicht alles erreicht? Sich mit neuen Unterrichtsinhalten intensiv auseinandersetzen, sie in Frage zu stellen, kritisch sowohl positiv als auch negativ zu bewerten? Und ohne Schule hätten sie diese Erfahrung nicht gemacht. Also, wird für die nächste Q1 wieder eine Oper ausgesucht, die unsere Schülerinnen und Schüler bewegen wird.
(ein Bericht von Musiklehrer Ulrich Kiehl)